Die Ausstellung „THEY ASKED ME TO RUN – I SAID NO“ verfolgt das Konzept einer fiktiven, musealen Schau. Meran behauptet die penibel inszenierten Objekte sind Funde aus der Jetztzeit, werden aber aus dem Blickwinkel der Zukunft textlich beschrieben und rezipiert. Die Ausgrabungen und Gipsabgüsse von Alltags- und Kunstobjekten (u.a. von Luftpolsterfolie oder einer Wäscheleine) werden also einem zukunftsarchäologischen Blick unterzogen. Man fragt sich: „Wie würden Funde in der Zukunft aussehen, und wie würden wir möglicherweise darüber schreiben und denken?“ Die Texte sind zentraler Bestandteil der Ausstellung, da sie ein aus Fakt und Fake sind.

Ausstellungstext

 

In der Jungsteinzeit, fachsprachlich das Neolithikum genannt, manifestiert sich erstmals sesshaftes Leben in dorfähnlichen Strukturen. Häuser aus Wänden und Fenstern, aus einer 30.000 Jahre zurückliegenden Zeit bilden einen entscheidenden Schritt in der Menschheitsgeschichte. Sie trennen das Private vom Öffentlichen und suggerieren in einer Gesellschaftsform Eigentum, öffentliche Angelegenheit und Distanz.

 

So war es bereits der Medienphilosoph Vilém Flusser, der meinte Fenster seien „die höchste Errungenschaft der Sesshaftigkeit“. Diese phänomenologische Betrachtung der Architektur zeigt die ersten Grundpfeiler unserer heutigen Lebensweise. Wände hatten die Funktion, die drei Räume der Wirtschaft, der Politik und der Theorie zu trennen und den Verkehr zwischen diesen drei Daseinsbereichen zu regeln. Häuser bieten Schutz, Besitz und Platz für neue Objekte, wie Errungenschaften aus der Keramikproduktion.

 

Die Ausstellung „They asked me to run – I said no.“ präsentiert einen exemplarischen archäologischen Nachweis von Funden rund um den Wiener Schwarzenbergplatz. Diese erstmals gezeigte Sammlung umfasst Alltagsgegenstände, Post-Internet Keramiken, Verpackungsmaterialien und vermutliche Kunstobjekte der Zukunfts-Archäologie. Symbolische Bedeutung wurde - wie bereits im Neolithikum - auf kulturelle Objekte übertragen. Die teils fragilen Exponate der Ausstellung eröffnen die flexible Strukturalität des Materials, befüllen, erweitern und beenden seine Räumlichkeit, machen das Schützende oder Sichernde selbst zu zerbrechlichen Gegenständen. Diese werfen auch gesellschaftliche und kulturelle Fragen auf: Wie schnell kann aus Schutz Unsicherheit werden? Wie sicher ist die Sicherheit? Was schützt das Schützende? Wann wird das Schüt- zende zu etwas, was einengt, einfasst und unverrückbar ist?

Die Steppdecke von Kritzendorf

 

145x100 cm (ursprünglich vermutlich 200x140 cm)

Füllung 70% Seide 30% Schurwolle

Bezug: Edel-Fibranne, 80% Viskose, 20% Polyamid Vermutlich durch zu heißes Waschen eingegangen

Datierung: 1990-1991

Fundort: Niederösterreich, Strombad Kritzendorf

„Die Steppdecke von Kritzendorf“: Diese Halb-Freilegung der gefundenen Decke aus dem Strombad Kritzendorf in Niederösterreich, stellte die moderne Forschung lange Zeit vor ein Rätsel. Das Haus, in dem das Objekt freigelegt wurde, stammte bereits aus dem Jahr 1929. Weitere Untersuchungen haben aber ergeben, dass die Steppdecke erst Anfang der 1990er Jahre produziert wurde. Der Fund ist insofern erstaunlich, als die Produktion des Textils als sehr hochwertig einzustufen ist und das Produkt vermutlich für die kühle Jahreszeit konzipiert worden ist, was für ein Sommerhaus eher untypisch erscheint. Durch die gängige Daten-Cloud-Analyse wurde 2017 die Firma „Grüne Erde“ - ein österreichisches Unternehmen mit ehemaligem Sitz in Scharnstein im oberösterreichischen Almtal - mit 98%-iger Wahrscheinlichkeit als Produktionsort ausfindig gemacht. Die ursprüngliche Größe hat vermutlich 200 x 140 cm betragen, doch wurde das Textil-Objekt mit ziemlicher Sicherheit bei 95° gewaschen, was aufgrund der Füllmaterialien von Seide und Schurwolle zu einer erheblichen Verkleinerung der Maße geführt haben muss. Das aktuelle Maß bemisst sich auf rund 145 x 100 cm. Leider sind aufgrund des heißen Waschvorgangs viele Spuren verloren gegangen. In jahrelanger Kleinarbeit ist es nun dennoch gelungen, die Steppdecke von Kritzendorf mit einem Gesamtgewicht von über 300 Kilogramm, erstmals einem breiten Publikum zugänglich zu machen.

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Untitled (but heavy) piece which looks like art right away

 

cement, ropes, various arrangements (32x22,5x7,5 cm) ©DAVID MERAN 2018

Concrete Balance

 

cement, rope (23 x 15 x17cm)

©DAVID MERAN 2018

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Kunstverpackungen

Besonders das Gebiet rund um den Schwarzenbergplatz, insbesondere die Hegelgasse und die Schwarzenbergstraße, haben sich als Hotspot vieler Funde herausgestellt. Auffallend ist eine hohe Anzahl von ausgegrabenen Verpackungsmaterialien aus dem Kunstbetrieb. Damals wurden viele Objekte wie Fotografien, Malereien, aber auch Skulpturen mit weichen Materialien wie etwa der sogenannten „Luftpolsterfolie“ geschützt. Diese waren meist aus mindestens zweilagiger Kunststofffolie und wurden zum Verpacken leicht zerbrechlicher Gegenstände (Polsterung), zur Isolierung oder zur Hohlraumfüllung benutzt.

Die Luftpolsterfolie wurde bereits 1957, eher zufällig von den beiden Ingenieuren Alfred Fielding und Marc Chavannes in einer Garage in Hawthorne (New Jersey) erfunden. Für die Forschung bis dato ungeklärt ist, warum in der Zeit des Post-Internets viele Luftposlterfolie-Fanseiten online zu finden waren. Diese beschäftigten sich meist mit einer besonderen Eigenheit: dem manuellen Zerplatzen der Luftblasen, was stets einen kleinen Knall verursachte. Daher rührt auch der umgangssprachliche Begriff Knallfolie. Die Luftpolsterfolie hatte auch als „Humble Masterpiece“ im New Yorker Museum of Modern Art als Design-Exponat Eingang gefunden. Warum jedoch am Schwarzenbergplatz so eine große Menge an Luftpolsterfolien gefunden wurde, ist ungeklärt. Es ist dennoch naheliegend, dass sich Kunstproduktionsstätten in dieser Gegend niedergelassen hatten.

Styroporflocken, Verpackungschips

Die sogenannten Verpackungschips stammen aus der Familie der Transportverpackungen. Die Aufgabe bestand wohl darin, verschiedene dreidimensionale Waren zu schützen und dabei möglichst geringe Kosten zu verursachen. Wichtige Aspekte waren das Handling der Verpackung sowie der verpackten Ware und die Entsorgung, außerdem die Eignung für Retouren und die Schonung von Ressourcen (kein Missverhältnis von Verpackung zur Ware).

Plastik-Wäscheleine mit Stahleinlage

 

22 x 5 x 4 cm

Datierung: 2018

Fundort: Wien, Schwarzenbergplatz

Produktionsort: vermutlich Deutschland, Landscheid Schulstraße

Bei diesen Objekten handelt es sich um sogenannte Wäscheleinen (- die Bezeichnung für) ein langes Seil, welches zum Trocken von gewaschener Kleidung verwendet wurde. Als Befestigungspunkte für Wäscheleinen wurden in Wänden montierte Haken (für Innen- und Außenmontage), Bäume oder Pfosten verwendet. Untersuchungen ergaben, dass bei der Außenmontage die Leinen in etwa 1,50 bis 2 Meter Höhe angebracht wurden, um Verschmutzung der zum Trocknen aufgehängten Wäsche infolge von durch Bodenberührung optimal zu vermeiden. Besonders interessant erscheint aus heutiger Sicht die die Kombination der Materialien: das Naturmaterial Sisal, ein Gummi-Mantel mit Polypropylen-Kern, bzw. mit Stahl-Kern. Die vorliegenden Funde weisen allesamt eine Stahleinlage auf, welche dauerhaft sehr belastbar und dehnbar war. Dennoch war es möglich, dass der Gummimantel durch Korrosion etwa versprödet. Die bis zu 30 Meter langen Seile wurden von Maschinen aufgewickelt und verweisen auf eine lange Tradition von Wickelsystemen und Wickeldesigns.

DAVID

MERAN

© DAVID MERAN

2020

 

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